Frank Rehme

Handelsexperte, Gründer und Geschäftsführer der gmvteam GmbH

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»Mit dem KI-Navi Handel zeigen wir auf, wie man Künstliche Intelligenz einfach selbst nutzen kann, ohne eine große IT-Abteilung zu bemühen. Wir erklären, wie für den Handel relevante, bereits existierende Lösungen umgesetzt werden.«

Frank Rehme ist Innovator und Sachverständiger für die Herausforderungen der Handelsbranche. Sein Werdegang ist alles andere als linear, er hat buchstäblich ganz unten angefangen: Vor 45 Jahren startete Rehme im Bergbau. Über weitere Stationen im Ingenieurswesen und der IT ist er schließlich zum Handel gekommen. Dort gründete er 2013 die gmvteam GmbH und unterstützt mit seinem Unternehmen New Commerce Initiativen des Handels und der Industrie. 2024 übernahm er mit seinem Unternehmen die Konsortialführerschaft des KI.NRW-Flagship-Projekts »KI-Navi Handel«. Was hinter dem Projekt steckt, wo er Chancen mit KI für die Handelsbranche sieht und was Ziele des Projekts sind, haben wir ihn gefragt.

Frank Rehme ist Handelsexperte, Gründer und Geschäftsführer der gmvteam GmbH.
Frank Rehme ist Handelsexperte, Gründer und Geschäftsführer der gmvteam GmbH. © Die Hoffotografen Berlin

Herr Rehme, Sie haben jahrelange Berufserfahrung in der Handelsbranche, was ist Ihre Einschätzung: Wie offen steht die Branche technologischem Fortschritt durch KI gegenüber?
Der Handel war mit einer der Pioniere im Bereich der Digitalisierung. Bereits in den 70ern waren viele Prozesse IT-unterstützt. Mein erster Satz, den ich in der Branche gehört habe, war: » IT und Logistik sind der Backbone des Handels.« Die Themen Automatisierung und E-Commerce haben die nachfolgenden Jahre geprägt. Jetzt kommen neue Herausforderungen auf die Branche zu: Fachkräftemangel, gestörte Lieferketten und veränderte Kundenbedürfnisse. All diese Herausforderungen erfordern weitere Schritte, die durch KI gelöst werden können. Man muss eine Offenheit bei der Branche also nicht erzeugen, sondern die ist grundsätzlich da!

Der KI-Hype, der durch Sprachmodelle wie ChatGPT entstanden ist, hat viele Branchen erfasst. Dennoch sagen Sie im Projekt »KI-Navi Handel«, dass der Einsatz von KI im Einzelhandel bislang begrenzt ist. Woran liegt das?
Die Einschätzung bezieht sich in erster Linie auf den Mittelstand, der sich bisher wenig mit dem Thema beschäftigen konnte. Wir reden hier von bundesweit über 250.000 Ladengeschäften, meist inhabergeführt, deren Umsatz weniger als zwei Millionen Euro beträgt. Diese Unternehmen brauchen Unterstützung, dafür ist das Projekt KI Navi Handel gedacht. Wir profitieren alle von diesem Support, denn genau diese Geschäfte machen unsere Innenstädte individuell, jenseits der großen Filialisten.

Wie wollen Sie das ändern? An welchen Lösungen arbeiten Sie, um KI im Einzelhandel populärer zu machen? Welche Bedeutung hat der Name »KI-Navi«?
Die Analogie Navi haben wir bewusst gewählt. Wenn ich in einer unbekannten Gegend unterwegs bin, führt mich das Navi zu meinem Ziel. Wir zeigen in diesem Projekt auf, wie man Künstliche Intelligenz einfach selbst nutzen kann, ohne eine große IT-Abteilung zu bemühen. Wir erklären, wie für den Handel relevante, bereits existierende Lösungen umgesetzt werden. Das haben wir gezeigt im Bereich von Chatbots, automatisierter Social-Media-Arbeit und der Analyse von Kundenbewegungen. Fast alles Lösungen, die man in 30 Minuten fertig einsetzen kann.

Wo sehen Sie weitere KI-Potenziale für den Einzelhandel?
Ganz besonders im Bereich von Automatisierungen im administrativen Bereich. Berichtswesen, HR-Management und digitales Dokumentenmanagement sind besonders gefragt. In Zeiten des Fachkräftemangels sollte das Personal bei diesen Aufgaben entlastet werden, damit mehr Fokus auf die Bedürfnisse der Kundschaft gelegt werden kann. Ein weiteres wichtiges Feld ist die Optimierung der Angebotskommunikation. Frühzeitig zu wissen, was sich Menschen wünschen und die Supply Chain und das Marketing darauf auszurichten, ist ein Erfolgsfaktor für die Zukunft.

Welche Datenquellen nutzen Sie, um KI-Lösungen zu entwickeln? Und wie gut ist die Datenverfügbarkeit in der Branche?
Das ist ein heißes Thema in allen KI-Projekten. Wir reden dabei über ein magisches Dreieck, wie ich es gern nenne: Einerseits Datenverfügbarkeit, dann Datenqualität und als Drittes darf man den Datenschutz nicht vergessen. Letzteres ist ein wichtiges Thema, wird aber manchmal übertrieben und schreckt gerade die kleinen Händler ab. Generell können wir sagen, dass gut gepflegte Daten aus Warenwirtschaftssystemen und Loyality-Programmen die erste Basis bilden.

Worin unterscheiden sich hierbei kleine Einzelhandelsunternehmen von den großen Einzelhandelsketten?
Die kleinen Unternehmen zeichnen sich in erster Linie im Bereich der Spezialisierung aus. Sie kennen ihre Kunden sehr gut und haben eine große Flexibilität, auf die veränderten Rahmenbedingungen zu reagieren. Die großen Unternehmen haben allerdings den Vorteil, durch ihre Einkaufsmacht wegen des großen Volumens andere Konditionen bei der Preisgestaltung zu Grunde zu legen. Diese Kombination ist in vitalen Innenstädten sichtbar: Die großen stellen die Magnetwirkung, die Kleinen die Individualität.

Bei welchen Use Cases unterstützen Sie?
Tatsächlich bei der Auswertung von Verkaufshistorien, man nennt das assoziative Warenkorbanalysen. Dabei werten wir aus, welche Folgekäufe in welcher Frequenz, z. B. nach dem Kauf eines Grills, getätigt werden. Genau diese Artikel werden dann in angepassten und KI-gestützten Kommunikationsmaßnahmen an die passende Zielgruppe kommuniziert. Ein weiteres Thema ist das Kunden-Beziehungsmanagement: Wie kann ich mit Kunden besser interagieren und mit hoher Relevanz kommunizieren. Dabei hilft uns eine neue Generation von Chatbots, die wesentlich flexibler und präziser arbeiten als bisher.

Das Projekt des Landes NRW ist zunächst auf vier Jahre angelegt. Was wünschen Sie sich, wo die Handelsbranche in vier Jahren in Bezug auf die Nutzung von KI steht?
Wenn ein Großteil der genannten Zielgruppe unter dem Akronym KI nicht »Kein Interesse«, sondern »Kann Ich« versteht, dann sind wir auf dem richtigen Weg. Ich bin da zuversichtlich, denn die derzeitige Entwicklung katapultiert diese Technologie in die Mitte der Gesellschaft.

Frank Rehme ist Handelsexperte, Gründer und Geschäftsführer der gmvteam GmbH, mit der er die Konsortialführerschaft im KI.NRW-Flagship-Projekt »KI-Navi Handel« innehat.

Rehme blickt auf jahrelange Branchenerfahrung im Handel zurück. Der ehemalige Innovationsmanager der METRO Group hat diverse Maßstäbe im Handelsumfeld gesetzt. Seine Leidenschaft ist die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle mit konsequentem Anwenderfokus. Im KI.NRW-Flagship-Projekt »KI-Navi Handel« setzt er sich mit seinem Team unter anderem dafür ein, ein Online-Portal zu entwickeln, in dem sich kleine und mittlere Unternehmen einfach und schnell informieren und passende KI-Lösungen finden können.