Prof. Dr. Reiner Kurzhals

Gründer und Professor für Statistik und Quantitative Methoden an der Fachhochschule Münster

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»Wir sind eine Brutstätte für Talente und Wachstumskapital – die Treiber für Datenintelligenz und KI.«

Im Kurzinterview erklärt Reiner Kurzhals, Unternehmensgründer und Professor für Data Science an der FH Münster, welche Chancen er für NRW im Bereich Big Data Analytics sieht und warum der deutsche Mittelstand viel mehr über seine Erfolge reden sollte. 

Prof. Reiner Kurzhals © Westphalia DataLab GmbH

Ihr Lehr- und Forschungsgebiet an der FH Münster ist »Statistik und Quantitative Methoden«. Wie hat sich dieses Feld mit Blick auf die technologischen Innovationen im Bereich KI verändert? 
Die Bezeichnung »Statistik und Quantitative Methoden« ist schon mehrere Jahrzehnte alt, weil es nun mal die heutigen Methoden zur intelligenten Datenanalyse zum größten Teil schon seit Jahrzehnten gibt. Aber in der Praxis ist sehr viel Bewegung: Durch Neuerungen in den technologischen Umsetzungsmöglichkeiten sind in den letzten Jahren komplett neue Geschäftsmodelle entstanden, die von den erfolgreichsten Unternehmen der Welt umgesetzt werden. Die Rechenleistung der Computer ist rasant gestiegen, sodass in immer kürzerer Zeit immer mehr Daten verarbeitet werden können. Und dank KI lassen sich nun auch unstrukturierte Daten, wie beispielsweise Kundenmeinungen, gut analysieren. Das ist ein extremer Innovationsmotor unserer Zeit. Oft genannte Beispiele sind hier Netflix oder Airbnb: Beide Weltmarktführer setzen u. a. auf einen sogenannten »Data Lake«, um unstrukturierte Daten agil in ein real-time Geschäftsmodell zu überführen. Damit lassen sich dann monatlich wiederkehrende Umsätze generieren. Ein tradiertes Datenbankmodell eines traditionellen Wettbewerbers könnte solche Erfolge niemals bewerkstelligen.

Sie selbst haben mehrfach Unternehmen gegründet, zuletzt das Westphalia DataLab in Münster. Worin sehen sie die Stärken des Standorts Nordrhein-Westfalen? Die erfolgreichsten amerikanischen und asiatischen Datengeschäftsmodelle setzen vorwiegend auf B2C, damit sind sie berühmt und bekannt geworden. In Europa und insbesondere in Deutschland haben wir traditionell einen anderen Fokus: den industriellen Mittelstand. Wenn wir es schaffen, Forschungstheorie und Mittelstandpraxis stärker zusammen zu bekommen, werden wir zwangsläufig Datengeschäftsmodelle im B2B Bereich etablieren können, die sich dann auch weltweit erfolgreich vermarkten lassen. Mit seinen unzähligen Hidden Champions ist Europa für diesen Weg sehr gut aufgestellt. In NRW haben wir dabei den Vorteil, dass die Vernetzung zwischen Forschung und Industrie schon jetzt besonders gut funktioniert. Die Hidden Champions müssen diese Chance jetzt konsequent begreifen und mit den zahlreichen NRW-Startups agil umsetzen. Eine zukunftsweisende Perspektive für NRW, und auch für Europa. 

Welche Chancen im Kontext Datenintelligenz und KI dürfen sich Forschung und Wirtschaft Nordrhein-Westfalens auf keinen Fall entgehen lassen?
Für mich gibt es da nur eine Nennung: Wir müssen viel mehr mit unseren Pfunden wuchern und unser Können besser vermarkten. Exzellenter Nachwuchs aus exzellenten Hochschulen neu aufgestellt in agilen Startups und ein wissbegieriger, aber technologisch noch dazulernender Mittelstand, müssen schneller zusammenfinden und der Welt zeigen, dass hier sehr Großes nachhaltig entstehen kann. Wir müssen es einfach nur tun und auch viel darüber reden. Gutes Marketing bei bester Qualität schafft Vertrauen in unseren Standort. Wir sind eine Brutstätte für Talente und Wachstumskapital – die Treiber für Datenintelligenz und KI. Die typische nordrhein-westfälische Bodenständigkeit muss sich wandeln zu artikulierter Innovationskraft! 

Reiner Kurzhals ist Unternehmer im Bereich Big Data Analytics und Professor für Data Science an der FH Münster mit 10-jähriger Erfahrung im Top-Strategy Consulting und der Großindustrie. Nachdem er sein erstes Big-Data-Unternehmen 2015 an McKinsey & Company New York verkauft hat, fokussiert er sich aktuell als Gründer des industriellen Startups Westphalia DataLab mit einem Team von über 50 Data Science Professionals auf den Aufbau einer automatisierten Data Analytics Plattform. 2019 hat Prof. Kurzhals mit seinem Unternehmen den ersten Preis für Machine-Learning-Anwendungen im Rahmen der RWTH Aachen Center Smart Services bekommen. 2020 war das Unternehmen Preisträger beim deutschen KI Preis des Axel Springer/WELT Verlags in Berlin. 2021 belegte es den ersten Platz bei den Customer Insights Anwendungen der RWTH Aachen Center Smart Services.