Prof. Dr. Holger Hoos

Alexander von Humboldt-Professor für Informatik an der Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften der RWTH Aachen

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»Ich sehe großes Potenzial in der starken Vernetzung von KI-Expertise und KI-Aktivitäten, nicht nur in der akademischen Forschung, sondern auch in der Ausbildung von KI-Talent und in Anwendungen in der Wirtschaft.«

Seit dem 1. Januar 2022 ist Prof. Holger Hoos Alexander von Humboldt-Professor für Informatik an der Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften der RWTH Aachen. Die Alexander von Humboldt-Professur ist Deutschlands höchstdotierter internationaler Forschungspreis. Am 12. Mai fand in Berlin die offizielle Verleihung des Preises statt. Im Kurzinterview haben wir Prof. Hoos zu seinem Fachgebiet, dem sogenannten Automated Machine Learning (AutoML), befragt. Außerdem wollten wir wissen, was er in seinem neuen Amt als Humboldt-Professor bewegen will.

Prof. Dr. Holger Hoos, © Humboldt-Stiftung/Elbmotion

Herr Hoos, Sie gelten als Pionier im Bereich des Automatisierten Maschinellen Lernens (Automated Machine Learning, kurz: AutoML). Worum handelt es sich dabei genau?
Das Ziel von AutoML ist es, Algorithmen aus dem Bereich des Maschinelles Lernens (ML) und Systeme, welche diese verwenden, automatisch für bestimmte Anwendungsfälle auszuwählen, zu konfigurieren und zu kalibrieren. Damit ermöglichen wir Menschen mit begrenzter ML-Expertise, solche Algorithmen und Systeme effektiv und verantwortungsvoll einzusetzen, und ML-Fachleuten, bessere Ergebnisse mit weniger Aufwand zu erzielen.

Was ist die bisher größte Errungenschaft im AutoML?
Genauso wie für die gesamte KI, oder den Bereich ML, läßt sich diese Frage für AutoML nicht eindeutig beantworten. AutoML-Methoden werden immer stärker in der Forschung und auch in der Wirtschaft eingesetzt. Dennoch handelt es sich hier immer noch um einen recht neuen Ansatz, dessen größte Erfolge sich erst in den nächsten Jahren zeigen werden. Schon in einem Wettbewerb im Jahr 2016 wurde jedoch überzeugend demonstriert, dass AutoML-Systeme bessere Ergebnisse erzielen können als menschliche Experten, z. B. beim Einsatz von ML-Methoden in der Entwicklung neuer Medikamente und Wirkstoffe.

Welche Ziele verfolgen Sie für AutoML? Was wird künftig im Bereich AutoML auf uns zu
kommen?

In meiner Arbeit geht es nicht nur um Grundlagenforschung und Anwendungen im Bereich AutoML, sondern insbesondere auch um die Ausweitung des Konzepts auf die gesamte KI – denn KI ist viel mehr als nur ML, so wie menschliche Intelligenz ja auch nicht nur auf der Fähigkeit zu Lernen beruht, sondern beispielsweise auch auf der Fähigkeit zum Planen und logischen Schließen. Die Erweiterung von AutoML auf die gesamte KI nennt sich »Automated Artificial Intelligence« oder kurz »AutoAI«. Sie stellt aus meiner Sicht eine wesentliche Komponente für die Entwicklung der nächsten Generation von KI-Systemen dar. Dabei geht es zunehmend nicht nur um die Leistungsfähigkeit von KI-Systemen, sondern auch um weitere wichtige Eigenschaften, wie z. B. Robustheit gegenüber Störungen oder Manipulationsversuchen sowie um den Energieverbrauch.

Wie kann AutoML gezielt in Unternehmen in NRW eingesetzt werden?
Für Unternehmen, die ML-Fachleute beschäftigen, in erster Linie, indem diese Fachleute AutoML-Methoden und -Werkzeuge in ihre Arbeitsabläufe integrieren. Unternehmen, die keine Inhouse-ML-Expertise haben, sollten sich von Fachleuten mit AutoML-Kenntnissen unterstützen lassen. Das kann zum Beispiel auch über Kooperationen mit universitären Forschungseinrichtungen erfolgen. Prinzipiell ist der Einsatz von AutoML- und AutoAI-Methoden für alle Unternehmen von Interesse, die ML- und KI-Methoden bereits einsetzen oder einsetzen wollen.

Als Distinguished Scientific Director des KI-Centers der RWTH Aachen sind Sie unter anderem für die Gründung eines trinationalen Forschungsverbunds zwischen Belgien, Niederlande und Deutschland verantwortlich. Wie kann eine Kooperation zwischen diesen drei Forschungsstandorten aussehen?
In erster Linie sehe ich großes Potenzial in der starken Vernetzung von KI-Expertise und KI-Aktivitäten, nicht nur in der akademischen Forschung, sondern auch in der Ausbildung von KI-Talent und in Anwendungen in der Wirtschaft. Konkret sollten die Spitzenuniversitäten der drei Länder in diesem Bereich stärker kooperieren, sowohl in der Forschung, als auch in der Lehre. Analog dazu sollte eine stärkere trinationale Vernetzung von Unternehmen und anderen Anwendern (z. B. im öffentlichen Bereich) stattfinden, etwa in Form von Anwenderforen, Weiterbildungsangeboten und Talentmessen. Lokal und regional gibt es dazu bereits gute Ansätze, und paneuropäische Netzwerke wie CLAIRE bieten weitere Möglichkeiten so etwas recht schnell und effektiv an den Start zu bringen. Gerade Aachen, das ja geographisch wie auch historisch im Herzen Europas liegt, eignet sich hervorragend als Nexus für dieses Vorhaben, stärkere Verbindungen zu knüpfen zwischen drei europäischen Kernstaaten mit hoher KI-Kompetenz. Davon profitieren wir alle.

Sie sind am 12. Mai in Berlin mit Deutschlands höchstdotiertem internationalen Forschungspreis, der Alexander von Humboldt-Professur, ausgezeichnet worden. Was wollen Sie in Ihrem neuen Amt bewegen?
Ich habe drei Hauptziele:

  1. In der Grundlagenforschung die nächste Generation von KI-Methoden und Systemen voranzubringen, mit einem Fokus auf KI, die menschliche Intelligenz ergänzt statt sie ersetzen zu wollen.
  2. Durch Forschung und Anwendungen im Bereich AutoAI einen breiten, effektiven und verantwortungsvollen Einsatz von KI-Methoden zu ermöglichen, insbesondere in Schlüsselbereichen wie Medizin und Gesundheit oder Nachhaltigkeit und Klimawandel.
  3. Durch Beiträge zur Stärkung des Technologiestandorts Deutschlands und durch Engagement auf der europäischen Ebene zum globalen Erfolg von »AI made in Europe« beizutragen.

Prof. Dr. Holger Hoos ist seit dem 1. Januar 2022 Alexander von Humboldt-Professor für Künstliche Intelligenz an der Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften der RWTH Aachen. Daneben arbeitet er weiterhin in Teilzeit am Leiden Institute of Advanced Computer Science (LIACS) der Universität Leiden in den Niederlanden, wo er seit 2016 den Lehrstuhl für Maschinelles Lernen leitet. Er ist Fellow der Association for Computing Machinery (ACM), der Association for the Advancement of Artificial Intelligence (AAAI) sowie der European Association for Artificial Intelligence (EurAI). Prof. Hoos ist Mitbegründer und Vorstandsvorsitzender der Confederation of Laboratories for AI Research in Europe (CLAIRE), die für die Stärkung der KI-Forschung in Europa einsteht und 2021 mit dem Deutschen KI-Innovationspreis ausgezeichnet wurde.