Prof. Dr. Karin Küffmann
Prof. Dr. Karin Küffmann ist Professorin für Wirtschaftsinformatik an der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen und Mitglied des Leitungsgremiums der deutschen KI-Initiative für Kommunen »URBAN.KI«
»Eingebettete KI, insbesondere im industriellen Umfeld, bietet für die deutsche Wirtschaft noch enormes Potenzial.«
Kommunen und Städte stehen in vielen Bereichen vor wachsenden Herausforderungen. Der Fachkräftemangel, fehlende Digitalisierung und wachsende bürokratische Anforderungen sind hierfür nur einige Beispiele. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, setzt das Projekt URBAN.KI auf Lösungen der Künstlichen Intelligenz. Gemeinsam mit einem starken Partner- und Unterstützernetzwerk möchte die Initiative eine Vision verwirklichen: eine intelligente Stadt, die durch maßgeschneiderte KI-Anwendungen, beispielsweise in der Energieplanung, der Logistik, dem Straßenbau und der Verkehrssteuerung, zum Leben erweckt wird.

Frau Prof. Küffmann, in Ihrer Forschung an der Hochschule Gelsenkirchen beschäftigen Sie sich seit vielen Jahren mit Smart-City-Strategien. Was sind eigentlich Smart Cities? Und was zeichnet diese aus?
Smart im Zusammenhang mit Smart Cities würde ich mit intelligenter, nachhaltig orientierter Stadtentwicklung übersetzen wollen. Es sind Städte, die sich an ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Nachhaltigkeitszielen orientieren und mit Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) stetig fortentwickeln. Dazu gehören nun auch verschiedene KI-Technologien, die wir mit URBAN.KI erforschen und nutzbar machen. Die Modellprojekte Smart Cities (MPSC) wie auch etliche aus dem Bitkom- und Hasselhorst-Ranking, aber auch viele ländliche Regionen mit intelligenten lösungsorientierten Einzelprojekten gehörten dazu.
Wie hat sich Ihr Forschungsfeld in den letzten Jahren verändert, insbesondere vor dem Hintergrund der immer besser werdenden Generativen KI-Modelle?
Die Smart-City-Anwendungen haben sich von der Fokussierung rein digitaler Lösungen zu nachhaltigeren, lösungsorientierten Anwendungen weiterentwickelt. Die Städte fragen heute mehr nach dem Nutzen der digitalen Lösung für bürgerfreundlichere Verwaltungsprozesse oder für nachhaltige Stadtentwicklung. Gerade die Generative KI kann hier hohe Effekte erzielen.
Dabei zeigt sich, dass KI-Lösungen in den Kommunen gut geplant, ein- und ausgeführt werden müssen, damit die Verwaltungen und Bürger*innen sie als Helfer und nicht als Feind betrachten. Denn das genau ist das Zeichen der Zeit: Ziel ist es, Menschen insbesondere mit zeitaufwendigen Arbeiten zu unterstützen. Dazu braucht es zeitgemäße und kosteneffiziente IT-Organisationen mit modernen, cloudbasierten Datenarchitekturen.
Wo sehen Sie die größten Einsatzchancen von KI in Smart-City-Projekten?
Eine riesige Chance ist die vielfältige Nutzungsmöglichkeit von Sprachmodellen, bspw. für die Zusammenfassung von Akten für Bürger*innen und Mitarbeiter*innen, oder auch die Entwicklung von (ein- oder mehrsprachigen) Chat- und Voicebots zur Bürger*inneninformation: Noch zukunftsweisender erscheint mir aber die langfristige Perspektive: die blitzschnelle Zusammenführung von relevanten Daten auf gemeinsamen Datenplattformen zur Einschätzung von Hochwasser-Gefahrenlagen oder zur Mobilitätssteuerung, bspw. im Ruhrgebiet. Diese Projekte müssen langfristig geplant werden, da sie gemeinsame Datenstrukturen erfordern. Gerade mit unserem Ansatz von URBAN.KI haben wir hier Möglichkeiten, mit den smarten Städten gemeinsame Entwicklung von Konzepten und Erprobung von Technologien für diese langfristigen Szenarien zu entwickeln.
Sie sind Teil des vierköpfigen Leitungsgremiums der deutschen KI-Initiative für Kommunen URBAN.KI. Erklären Sie uns, was es mit dieser Initiative auf sich hat.
Kommunen können durch intensive konzeptionelle und technische Zusammenarbeit viele Wirtschaftlichkeitsreserven in der IT realisieren; Kommunen leiden unter dem Druck von Mehrarbeit, Budgetrestriktionen und der kommenden Pensionierungswelle der geburtenstarken Jahrgänge. Gerade hier macht es Sinn, mit einer bundesweiten Initiative nach gemeinsamen Lösungen zu suchen, die einmal entwickelt, vielfach von Nutzen sein können.
URBAN.KI kann über die enge Verbindung zu Kommunen hier auch künftig die Anforderungen erheben und nach dem »einer für alle«-Prinzip effektiv entwickeln. Auch können Kommunen über das aufgebaute Netzwerk von Wissen und Erfahrung der anderen profitieren.
In dem Projekt identifizieren Sie sechs Innovationsbereiche, in denen Künstliche Intelligenz eine Rolle spielt. Wie lief die Festlegung dieser Bereiche ab?
Die Innovationsfelder entsprechen den typischen Smart-City-Handlungsfeldern: nachhaltige Stadtentwicklung, nachhaltige Mobilität, städtische Klimaresilienz und Klimaschutz, Gebäudeplanung und -steuerung, Sicherheit, Bürgerbeteiligung und Verwaltungseffizienz. Auch kümmern wir uns um die technologischen Basics der sicheren Datenräume und Cybersecurity. Die MPSC-Förderung des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) machte dies möglich, die Stadt Gelsenkirchen als ehemaliger Zechenstandort hat große Chancen für die nachhaltige Stadtentwicklung darin gesehen.
Gibt es einen besonders spannenden Use Case in dem Projekt, den Sie hier kurz skizzieren können?
Es gibt einige spannende Use Cases mit unterschiedlichen KI-Ausprägungen; besonders interessant sind für mich ein Mobilitätsprojekt für On-Demand-Verkehre im ländlichen Raum wie auch ein KI-Chatbot mit Kartenfunktion für Bürgerbeteiligung in Planungsprozessen. Es ist spannend zu sehen, wie die Kommunen sich an diese Aufgabenstellungen heranarbeiten; vieles wie die Datenlage muss initial geklärt und organisiert werden.
Welche Ansätze verfolgen Sie bei der Entwicklung von KI-gestützten Anwendungen? Wie arbeiten Sie mit den Kommunen in dem Projekt zusammen?
Die Kommunen werden von unseren Entwicklungspartnern, dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), den Fraunhofer-Instituten FOCUS und IAIS sowie der Prosoz und unseren technischen Kollegen der Westfälischen Hochschule, Prof. Dr. Kuhlmann, Prof. Dr. Surmann, Prof. Dr. Pohlmann und Prof. Dr. Urban, intensiv in Workshops, Projektbesprechungen und Reviews involviert. Meine Kollegin Prof. Dr. Frohne aus der Kommunikation unterstützt Kommunen dabei, dass die gefundenen Lösungen von den Bürger*innen und Mitarbeitenden auch akzeptiert werden. Daneben findet regelmäßiger Austausch über die MPSC-Netzwerke, wie auch in der neu gegründeten Arbeits- und Entwicklungsgemeinschaft (AEG) statt. Wer teilhaben möchte, ist eingeladen, unsere News über den Newsletter und LinkedIn zu verfolgen. Es finden regelmäßig Beiratssitzungen statt, in denen die Projekte den kommunalen Spitzenverbänden präsentiert werden.
Sie sind insbesondere im Ruhrgebiet sehr gut vernetzt und beraten verschiedene Kommunen bei Ihren Smart-City-Strategien, wo sehen Sie bei Kommunen den größten Bedarf auf dem Weg zur Smart City?
Es wäre aus meiner Sicht wirtschaftlich und technologisch sinnvoll, die kommunalen IT-Systeme auf einen standardisierten, kosteneffizienten, modernen cloudbasierten Betrieb für alle langfristig umzustellen. Gerade die stark gestiegenen inhaltlichen Anforderungen in Bezug auf KI-Rechnerkapazitäten, Architekturen integrierter Cloudsysteme, gemeinsame Daten- und KI-Architekturen, Industriespionage und -sabotage sowie Cybersecurity erfordern zwangsläufig eine intensive Konzeption für alle Kommunen. Daher wäre ein Konzept für alle die sinnvollste und wirtschaftlichste Lösung. Die einzelne Kommune wird die gestiegenen Anforderungen in Zeiten knapper Budgets und Arbeitskräfte nicht mehr alleine umsetzen können.
Bis Ende 2025 sollen die aktuellen bearbeiteten Anwendungsfälle umgesetzt werden. Was für Ergebnisse erhoffen Sie sich?
Ich freue mich auf einige fertige KI-Lösungen, spannende Diskussionen über weitere Einsatzmöglichkeiten und hoffe auf eine vielfältige Nachnutzung in vielen Kommunen bundesweit. Durch die innovative Idee der Stadt Gelsenkirchen und der MPSC-Förderung durch das BMWSB wurde dieses innovative Projekt gestartet, was nun vielen Kommunen den Eintritt ins KI-Zeitalter niedrigschwellig ermöglicht.
Darüber hinaus arbeiten wir an neuen Innovationsbereichen und weiteren Projekten in den bestehenden Innovationsbereichen sowie der Verstetigung von URBAN.KI, auch mit unseren Partnern. Wir arbeiten außerdem am Aufbau eines effektiven IKT-Ökosystems für die KI-Lösungen in den Kommunen. Neuigkeiten diesbezüglich werden über die Newsletter und LinkedIn-Kanäle verbreitet.
Prof. Dr. Karin Küffmann ist Professorin für Wirtschaftsinformatik an der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen. Dort verantwortet sie den Studiengang Digital Business und IT-Management B.A. sowie den Master Management Digitalisierung und Consulting M.Sc.
Ihre Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet der nachhaltigen Smart Cities, insbesondere notwendiger KI- und Daten-Strategien, erforderlicher KI-Planung und -Nutzung in den Kommunen sowie der Weiterentwicklung ökologisch und wirtschaftlich nachhaltiger Städte mithilfe digitaler Technologien. Im Fokus stehen dabei die Nutzung digitaler Geschäftsmodelle und der Aufbau von innovativen Ökosystemen im Ruhrgebiet.
Als Mitglied des Leitungsgremiums im URBAN.KI Projekt geht es ihr dabei vor allem um den Übergang der Prototypen in den Betrieb und den Aufbau eines nachhaltigen unterstützenden Ökosystems für die kommunale KI-Nutzung.