Dr.-Ing. Dagmar Dirzus
Dr.-Ing. Dagmar Dirzus ist Vice President AI & Platform Business bei der KROHNE Gruppe, einem der drei Konsortialpartner des Projekts ZaKI.D.
»Eingebettete KI, insbesondere im industriellen Umfeld, bietet für die deutsche Wirtschaft noch enormes Potenzial.«
Die Industrielandschaft in Deutschland ist geprägt von hochtechnisierten Maschinen, die mithilfe von Messtechnik die unterschiedlichsten Prozesse bearbeiten und überwachen. Wie kann Künstliche Intelligenz hier helfen, diese Prozesse effizienter, besser zu machen? Das Zentrum für angewandte Künstliche Intelligenz Duisburg – »ZaKI.D« hat sich dieser Frage gestellt. Eine Kernkompetenz des ZaKI.D ist die Implementierung von Künstlicher Intelligenz auf ressourcenbeschränkten Geräten wie Messinstrumenten oder anderen smarten Geräten. Die Lösung: Die KI sitzt im Gerät selbst. Dadurch können Echtzeit- oder Datenschutzprobleme vermieden und neue Services direkt in Geräten oder Maschinen angeboten werden. Ziel des ZaKI.D ist es, kleinen und mittleren Unternehmen in der Region Duisburg zu helfen, KI in ihren Betrieben und Produkten einzubinden. Im Interview erklärt uns Dr.-Ing. Dagmar Dirzus, Co-Projektleiterin und Vice President AI & Platform Business bei der KROHNE Gruppe, wie Unternehmen von der Arbeit des ZaKI.D profitieren können und was das sog. »TinyML« [1] ausmacht.
2024 ist das Zentrum für angewandte Künstliche Intelligenz Duisburg gestartet mit dem Ziel, Unternehmen in Duisburg durch KI innovativer und wettbewerbsfähiger zu machen. Erklären Sie uns, wie es zu der Idee für das ZaKI.D kam.
Ende 2021 startete ich bei KROHNE Messtechnik mit der großen Aufgabe, einen Bereich für KI-basierte und digitale Services aufzubauen. Neben vielen internen Diskussionsrunden führte ich auch Gespräche mit der Universität Duisburg-Essen (UDE) und dem Fraunhofer-Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme IMS, um eine breitere Basis für Innovationen im Feld des Machine Learning zu schaffen. Hier gab es bereits die Idee für ein Zentrum, das auf eingebettete KI, also TinyML, fokussiert. Ich erkannte die großen Chancen des ZaKI.D, die für Duisburg aus so einer Initiative erwachsen können, und brachte KROHNE als globalen Anbieter hochwertiger Prozessinstrumentierung aus Duisburg ein. Glücklicherweise stieß ich auf offene Ohren. Und so wurde KROHNE in das jetzt entstehende Zentrum aufgenommen.
Welche Rolle nehmen die einzelnen Projektpartner, das Fraunhofer IMS, die Universität Duisburg-Essen und die KROHNE Messtechnik GmbH im Zentrum für angewandte Künstliche Intelligenz Duisburg ein?
Das Fraunhofer IMS koordiniert alle Tätigkeiten während der Projektlaufzeit. Zudem ermittelt es die regionalen Bedarfe und treibt die Vernetzung mit regionalen und überregionalen Partnern und anderen Netzwerken im Feld der Künstlichen Intelligenz sowie der Gründer voran. Das IMS und die UDE organisieren regionale Events für Start-ups und KMU aus der Region und werden gemeinsam mit KROHNE die »ZaKI.D Academy« etablieren, die spezielle Angebote zu Künstlicher Intelligenz kostenfrei anbieten wird. Gemeinsam mit den Partnern wird KROHNE energieeffiziente Algorithmen für ressourcenbegrenzte Systeme entwickeln. Hier setzen wir in besonderem Maße auf Kooperation mit Start-ups, KMU sowie Forschungsinstitutionen. KROHNE baut dazu die eigene, bereits bestehende IIoT-Plattform [2] aus und erweitert diese um einen kooperativen Part, in dem in einer speziellen Entwicklerumgebung gemeinsam TinyML entwickelt werden kann. Außerdem werden wir damit die Möglichkeiten, Daten zum Training einer KI herunterzuladen sowie in einer Simulation im Nachgang auf der Plattform zu testen, ausbauen. Hierbei handelt es sich also um eine spezielle Innovationsplattform für Embedded AI. Ein weiterer, wichtiger Baustein für KROHNE wird die Erstellung der Verwaltungsschalen [3] als Basis für einen Digitalen Zwillings sein. In Zukunft können dann innerhalb von Messgeräten rudimentäre Simulationen ablaufen und mit den realen, gemessenen Daten verglichen werden. So können beispielsweise Alarme ausgegeben werden, wenn ein Gerät sich zusetzt oder driftet.
Eine Kernkompetenz des ZaKI.D ist die Implementierung von Künstlicher Intelligenz auf ressourcenbeschränkten Geräten wie Sensoren oder anderen smarten Geräten: Warum fokussieren Sie sich gerade auf dieses Teilgebiet der Künstlichen Intelligenz? Und für welche Unternehmen ist dieses Angebot besonders interessant?
Seien wir ehrlich: Der Zug in der Consumer AI ist abgefahren. Doch eingebettete KI, insbesondere im industriellen Umfeld, bietet für die deutsche Wirtschaft noch enormes Potenzial. Nicht nur, dass wir die vorhandene, hohe Anlagenkompetenz durch intelligente Instrumentierung noch weiter verbessern und unterstützen können. Sondern TinyML bietet enorme Vorteile in Bezug auf schnelle Verarbeitung ohne Übertragungsverzögerungen, höhere Ausfallsicherheit durch dezentrale Systeme und verringerte Angriffsmöglichkeiten. Darüber hinaus können interne Rohdaten der Messgeräte genutzt werden, die wegen ihrer Menge und auch aus IP- bzw. Sicherheitsgründen nicht in eine Cloud übertragen werden könnten. Mittels dieser Technologie können Maschinen und Anlagen effizienter genutzt werden. Es ist, wie mir ein Experte aus der Prozessindustrie versicherte, ein Traum jedes Anlagenbetreibers, dass Messinstrumente im ersten Schritt verbesserte Eigendiagnosen bieten und im zweiten Schritt dann bevorstehende Ausfälle von Stellgeräten, Pumpen und anderen Anlagenbestandteilen frühzeitig diagnostizieren und Alarme ausgeben können. Insbesondere im Brownfield ermöglichen intelligente Mess- und Stellgeräte mit eingebetteter KI, die nicht erst mit dem Internet verbunden werden müssen, eine schnelle Step-by-Step-Nachrüstung. Voraussetzung dafür, wie für vieles andere, sind die Kommunikation über beispielsweise APL und eine ausreichende Stromversorgung. Es reicht nicht, für alle Anwendungen auf Zweileiter und APL zu setzen. Denn mehr Rechenpower braucht auch einfach mehr Energie – also vier Leitungen.
Worin liegt der Mehrwert für die Unternehmen, die Sie betreuen?
Das Zentrum für angewandte Künstliche Intelligenz Duisburg bietet Unternehmen, insbesondere Start-ups und KMU, umfangreiche und entlang der gesamten Entwicklung von KI-Lösungen aufgebaute, durchgängige und kostenfreie Betreuung. Unternehmen, die eine erste Idee haben, wie und wofür sie KI einsetzen möchten, können auf uns zukommen und mit uns gemeinsam und unterstützt durch begleitende Angebote Lösungen erarbeiten. Über einzelne Projekte hinaus und um eine größere Strahlkraft zu erzielen, bieten wir seitens KROHNE demnächst die Möglichkeit an, Daten für das Training der eigenen KI-Algorithmen zu erhalten. Danach besteht die Chance, die trainierten Algorithmen in einer Simulation auf unserer Plattform zu testen – also auf einem simulierten Controller eines realen Messinstruments. Das ist bisher einmalig. Wir hoffen sehr, auf diese Weise mehr Forschungsinstitute und insbesondere Start-ups anzuziehen sowie darüber hinaus KMU zu ermutigen, KI-Lösungen im eigenen Unternehmen auszuprobieren. Das notwendige Know-how können die Unternehmen kostenfrei in der ZaKI.D-Academy erhalten.
Können Sie uns konkrete Use Cases nennen, an denen Sie gemeinsam mit Unternehmen arbeiten bzw. arbeiten wollen?
Aktuell befinden wir uns in ersten Gesprächen mit Start-ups, KMU, aber auch größeren Unternehmen. Die größte Hürde im Umfeld von KI ist die Formulierung eines konkreten Problems bzw. einer zu verbessernden Anwendung. Oft fehlt die praktische Erfahrung im Umgang mit KI, so dass im ersten Schritt Beratungsgespräche notwendig sind, um den potenziellen Einsatz von KI herauszuarbeiten. KI ist ja kein Selbstzweck nach dem Motto: Wir haben eine KI-Lösung, wo ist denn das Problem dazu. Vielmehr geht es um Herausforderungen, denen beispielsweise Anlagenbetreiber begegnen und zu denen es keine konventionellen Lösungen gibt, aber bei denen KI ein Schlüssel sein könnte. Beispielsweise verschmutzen die Antennen von Füllstandsmessgeräten häufig und liefern dann ungenaue Daten. Dasselbe gilt für Durchflussmessgeräte, die sich mit Sedimenten zusetzen. Eine KI-basierte Selbstdiagnose der Geräte, die dann Alarme ausgeben können, sind für viele Anwender eine sehr große Hilfe. Daran arbeiten wir.
Ein weiteres Problem ist die Stockpunkterkennung – wann wird aus einem flüssigen Zustand ein fester? Dafür suchen wir Partner aus der Start-up-Szene, die gemeinsam mit uns dieses Problem für unsere Kunden lösen. Ich könnte noch hunderte Herausforderungen nennen, denen man mit KI begegnen kann, aber dafür reicht der Platz hier nicht. Die Unternehmen können mit ihren Fragen einfach gerne auf das ZaKI.D zukommen.
TinyML ist für alle Unternehmen, die Hardware herstellen, interessant. Oft ist das Thema KI in produzierenden Unternehmen in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Bei Krankenkassen, Banken, IT-Dienstleistern oder Versicherungen ist der Vorteil von KI bereits angekommen, aber dort ist TinyML nicht von Relevanz, da die Daten auf Großrechnern verarbeitet werden können. Wenn aber das produzierende Gewerbe in Deutschland nicht das Potential von Künstlicher Intelligenz auslotet, wird es langfristig problematisch werden, international konkurrenzfähig zu bleiben.
Wie profitieren Sie bei der KROHNE Messtechnik GmbH von den Aktivitäten des ZaKI.D?
Als eines der größten in Duisburg ansässigen Unternehmen sind wir daran interessiert, die Region und die Stadt selbst zu unterstützen und zu stärken. Durch den Wegfall von Kohle und Schwerindustrie brauchen wir Alternativen in der Region. Hightech und KI bieten die Chance zur Umstrukturierung und machen Duisburg über die logistisch gute Lage hinaus, auch als Hightech-Standort für Unternehmen attraktiv. Das wiederum wird sich positiv auf den gesamten Arbeitsmarkt und letztendlich auch für KROHNE auf das Personal-Recruiting in diesen innovativen Themen auswirken. KROHNE hat bereits selbst begonnen, Cloud-basierte Monitoring-Systeme aufzubauen, KI in Services zu integrieren und auch TinyML für die eigenen Geräte einzusetzen. Von ZaKI.D erhoffen wir uns, weitere Synergien mit anderen Unternehmen in der Region zu heben. Diese umfassenden praktischen Erfahrungen möchten wir wieder ins ZaKI.D einbringen und einen Austausch anregen, um selbst dazuzulernen, aber auch, um gemeinsam mit unseren Kunden, neuen Partnern und Start-ups neue Entwicklungen anzustoßen. Ein weiterer positiver Aspekt, den wir vom ZaKI.D, aber auch von anderen sehr guten Initiativen in NRW und in Deutschland zu KI erwarten, ist, dass die Vorbehalte gegenüber KI schrumpfen. Und auch, dass das Verständnis über KI zunehmen wird. Künstliche Intelligenz wird vielfach noch als »Magic Black Box« gesehen, in die man irgendwelche unstrukturierten Daten hinein kippen kann und per Magie dann eine optimierte Produktion herausbekommt, das muss sich ändern zu einem tiefen Verständnis dieser Technologie.
Nicht nur KI-Projekte für KMU stehen bei Ihnen auf der Agenda. Außerdem bieten Sie Weiterbildungsangebote im Bereich KI an und stellen einen Innovationsinkubator für KI-Start-ups bereit. Wie zahlen diese beiden Bereiche auf die Strategie des ZaKI.D ein?
Das Großartige an ZaKI.D ist, dass es die interessierten Unternehmen nicht nur in einem einzigen Feld, zum Beispiel der Beratung, unterstützt und ansonsten alleine lässt. Hier greift eben alles ineinander. Gemeinsam können wir sowohl eine erste Beratung zu passender KI-basierter Unterstützung anbieten als auch passend dazu gemeinsam Projekte mit KMU und Start-ups umsetzen und außerdem in verschiedenen Gebieten Schulungen anbieten. Das ist einfach eine runde Sache und ich bin sehr glücklich darüber, dass wir ein Teil dieses Zentrums sind.
Wie können sich Unternehmen für die Angebote bewerben und was muss beachtet werden?
Das ist ganz einfach. Wir haben eine Webseite, www.zakid.de, über die können Unternehmen, Start-ups oder auch Personen, die gründen wollen, Kontakt mit uns aufnehmen. Außerdem bieten wir Netzwerkveranstaltungen mit interessanten Vorträgen an. Diese bieten die Chance, ganz unkompliziert einen ersten Eindruck zu erhalten und mit Leuten aus unserem ZaKI.D-Team Kontakt aufzunehmen. Zu beachten gibt es erst einmal nichts. Wir reichen einfach die Hand, nur ergreifen müssen die Unternehmen oder Gründer sie schon selbst.
Dr.-Ing. Dagmar Dirzus ist Vice President AI & Platform Business bei der KROHNE Gruppe, einem der drei Konsortialpartner des Projekts ZaKI.D. In der Abteilung KROHNE Digital der KROHNE Messtechnik GmbH werden Daten- und KI-basierte Services entwickelt. Die Kombination dieser digitalen Services mit den hochwertigen KROHNE Messgeräten ermöglicht es Unternehmen, ihre Arbeit besser und effizienter zu erledigen. KROHNE Digital unterstützt sie dabei, die eigenen Nachhaltigkeitsziele in Bezug auf Ökologie und Ökonomie zu erreichen.
In ihrer Rolle beim Zentrum für angewandte Künstliche Intelligenz Duisburg verantwortet sie die strategische Ausrichtung des Projekts, in dem die gemeinsame Entwicklung eingebetteter KI sowie die Kombination aus Messinstrumenten mit TinyML und Automatisierungslösungen im Fokus stehen.
- TinyML ist ein Machine-Learning-Ansatz, der maschinelles Lernen auf ressourcenbeschränkten Mikrocontrollern ermöglicht. TinyML braucht, um ML-Anwendungen auszuführen, bis zu tausendmal weniger Strom im Vergleich zu einer Standard-GPU. Der Grund hierfür ist unter anderem das lokale Ausführen der Modelle, statt die Daten hin- und herzusenden. Das öffnet Türen zu vielfältigen Anwendungsgebieten für maschinelles Lernen. ↩︎
- IIoT steht für das Industrial Internet of Things ↩︎
- engl. Asset Administration Shell, (kurz: AAS) – ist ein Daten- und Informationsmodell, das im industriellen Internet der Dinge (IIoT) zur Beschreibung und Verwaltung von Anlagen verwendet wird. ↩︎