Blog-Beitrag

Künstliche Intelligenz in ERP-Systemen

25.01.2021

Enterprise-Resource-Planning-Systeme (kurz: ERP-Systeme) unterstützen unternehmensweite Geschäftsprozesse und die Planung der zugrundeliegenden Ressourcen wie Personal, Zeit, Maschinen, Lager etc. Sie erfassen und verknüpfen Daten abteilungsübergreifend und erlauben eine gezielte Auswertung und Steuerung des Betriebsablaufs. ERP-Systeme gelten damit zu Recht als die Herzstücke einer modernen Unternehmens-IT. Aber wie intelligent sind diese Systeme bereits?

Meine Kollegen Dr. Kilian Nickel und Dr. Felix Hasenbeck haben kürzlich im Rahmen der KI.NRW Veranstaltungsreihe »AI2GO« unsere aktuelle Studie »Künstliche Intelligenz in ERP-Systemen – Chancen, Trends und Risiken« vorgestellt. Auf der Basis einer Unternehmens-Erhebung gibt die Studie einen Einblick, welche intelligenten Funktionen sich die Nutzer*innen wünschen und wo sie die größten Chancen und Risiken von intelligenten automatisierten Funktionen innerhalb von ERP-Systemen sehen. Bei AI2GO haben die beiden Referenten den Fokus auf Anwendungsbeispiele gelegt, um zu veranschaulichen, wie Unternehmen von KI-basierten ERP-Systemen profitieren können, aber auch aufgezeigt, welche Voraussetzungen ein Unternehmen bei der Einführung erfüllen sollte.

KI kann die Arbeit mit ERP-Systemen auf verschiedene Weise unterstützen, z. B. durch kontextabhängige Visualisierung von Daten und Kennzahlen, Sprachsteuerung, Chatbots, Prognosen und proaktive Optimierungsvorschläge für Unternehmensprozesse, wie Lagerbewegungen, Produktionsplanung, Marketingkampagnen oder Kundenansprachen. Obwohl das Angebot an KI-Funktionen durch die ERP-Anbieter zunimmt, ist deren Verbreitung in deutschen Unternehmen bisher eher gering – nur etwa die Hälfte setzt sie ein. Was müssen Unternehmen also tun, um das unbestrittene Potenzial von KI in ERP-Systemen auszuschöpfen?

Je spezieller der Use Case, desto besser die Ergebnisse

Für einen erfolgreichen und rentablen KI-Einsatz müssen die richtigen Voraussetzungen gegeben sein. An erster Stelle steht dabei ein valider Use Case mit konkreten Zielen und möglichst quantifizierbarem Nutzen. Je eher der Use Case eine allgemeine Funktion mit überschaubarem Kontext betrifft, desto eher kann eine passende KI vom Hersteller vortrainiert und mit dem ERP-System ausgeliefert werden.

Ein solcher Use Case wäre beispielsweise eine Sofortübersetzung der ERP-Oberfläche und einzelner Datenfelder wie Artikelbeschreibungen (u. a. möglich mit Microsoft Azure Translate Text) oder die kontextsensitive Steuerung eines ERP-Systems per Sprache oder Chat-Konversation (z. B. mit SAP CoPilot in S/4HANA Cloud oder Infor Coleman). Allerdings gilt auch hier, dass eine KI nur so gut arbeitet, wie die Daten, mit denen sie trainiert worden ist. Kilian Nickel hat in seinem Vortrag klar betont, dass man an eine vortrainierte KI nicht allzu hohe Erwartungen stellen sollte, da z. B. jedes Unternehmen eigene Begrifflichkeiten pflegt. Mit unternehmensspezifischen Daten trainierte Systeme liefern prinzipiell bessere Ergebnisse. Dies gilt umso mehr, je spezieller der Use Case ist.

So auch bei Einsatzszenarien in der Produktion: Eine KI kann sinnvolle Wartungstermine von Maschinen ermitteln, um Stillstand zu vermeiden und die Produktqualität sicherzustellen – Stichwort Predictive Maintenance and Quality. Hierfür sind die Verfügbarkeit, Quantität und Qualität vorhandener Daten ein entscheidender Faktor. Neben Maschinendaten wie Druck, Temperatur oder Drehzahl werden auch Qualitätsdaten wie Toleranzen oder Oberflächengüte ausgewertet, um die gewünschte Vorhersage zu treffen (z. B. möglich mit PSI Automotive & Industry). Wenn die gesetzten Qualitätskriterien aufgrund von Mangel an Daten für das KI-Training nicht erreicht werden können, spricht man von der Small-Data-Problematik.

Bei Use Cases im Bereich der Kundenanalyse muss insbesondere dem Thema Datenschutz Rechnung getragen werden. Um beispielsweise die Abwanderungsbereitschaft oder für den Kunden zukünftig relevante Produkte zu ermitteln, müssen personenbezogene und teils sensitive Daten wie Verhaltens-, Transaktions- und Demographiedaten zusammengeführt und ausgewertet werden (im Angebot z. B. bei Microsoft Dynamics 365 Customer Insights). Die dafür geltenden rechtlichen Anforderungen müssen auf technischer und organisatorischer Ebene gelöst werden.

Mensch und Maschine

Grundsätzlich sehen die beiden Experten die aktuell am Markt angebotenen ERP-Systeme als gut für KI gerüstet an, wenngleich sie für unternehmensspezifische KI-Funktionen eher auf Expertensoftware oder Eigenentwicklungen verweisen. Es bedarf jedoch an weiterer Aufklärung, was wie machbar ist. Hier ist wie so oft das Zusammenspiel von Mensch und Technik entscheidend. Auch der organisatorische Change muss bewältigt werden. Die befragten deutschen Unternehmen sehen beispielsweise die größte Chance von KI in ERP-Systemen bei der Automatisierung von repetitiven Aufgaben und der damit einhergehenden Arbeitsentlastung. Dies bedeutet aber wiederum, dass bestimmte Arbeitsabläufe vereinfacht oder modifiziert werden oder sogar komplett entfallen. Neue Aufgabenprofile und Fortbildungsbedarfe entstehen, bestehende Systeme und Tools werden abgelöst – für viele Menschen bedeuten solche Veränderungen Unsicherheit und diese muss auch bei der Einführung von intelligenten Funktionen in ERP-Systemen durch Change Management in allen betroffenen Unternehmensbereichen adressiert werden.

Die Mehrheit der AI2GO Teilnehmer*innen hatte die Studie übrigens vor der Veranstaltung bereits gelesen – wer jetzt Lust auf mehr Input zum Thema bekommen hat, findet die Studie zum kostenlosen Download.

Über die Autorin

Ulrike Daniels
Ulrike Daniels

Ulrike Daniels arbeitet als KI-Managerin bei KI.NRW. Zuvor war sie viele Jahre im Netzwerk- und Innovationsmanagement in der Raumfahrt tätig.