Prof. Dr. Barbara Hammer
Professorin für Maschinelles Lernen an der Universität Bielefeld
KI für den Mittelstand made in NRW
Barbara Hammer ist Professorin für Maschinelles Lernen an der Universität Bielefeld. Über Funktionalität, Potenziale und Anwendungsmöglichkeiten dieser Technologie.
Was ist eigentlich Maschinelles Lernen?
Maschinelles Lernen stellt Verfahren bereit, die komplexe Gesetzmäßigkeiten, Erkenntnisse oder Fähigkeiten automatisch aus Beobachtungen lernen. Beispielanwendungen reichen von der maschinellen Übersetzung, über die Detektion von Wirkzusammenhängen in der Medizin, bis zum Erlernen komplexer Kontrollprobleme in der maschinellen Fertigung oder Robotik. Die Technologie erlaubt insbesondere eine Automatisierung in Bereichen, die einer klassischen Modellierung nicht zugänglich sind, in denen aber reale Daten zur Verfügung stehen. Dabei entstehen allerdings oft Black-Box Verfahren, dessen genaue Funktion dem Betrachter nicht zugänglich ist, mit entsprechenden Risiken hinsichtlich Sicherheit und Bedienbarkeit. Daher sehe ich als eine der großen Herausforderungen die Entwicklung von für den Menschen interpretierbaren und mit dem Menschen kooperierenden Verfahren des maschinellen Lernens.
In welchen Bereichen sehen Sie die größten Potentiale für diese Technologie?
Maschinelles Lernen ist dabei, Verfahrensweisen und Arbeitsformen in verschiedensten Bereichen zu revolutionieren: in der Wissenschaft können zum Beispiel Laborexperimente (etwa Mikroskopie) automatisiert ausgewertet und damit als Hochdurchsatztechnologie etabliert werden; individuelle Personen nehmen Funktionalitäten wie automatisierte Übersetzung von Texten oder intelligente Unterstützung bei der Suche nach Informationen im Netz selbstverständlich in Anspruch; in der Wirtschaft wird maschinelles Lernen zum Beispiel zur intelligenten Qualitätskontrolle oder Prozessoptimierung eingesetzt. Die in den letzten Jahren enormen Entwicklungen des maschinellen Lernens für die Bild- und Sprachverarbeitung haben eine aufgrund der Universalität dieser Modalitäten fundamentale Auswirkung auf nahezu alle Bereiche von Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft. Große Potentiale sehe ich insbesondere in verschiedensten für die Gesellschaft zentralen Bereichen, etwa der medizinischen Diagnostik oder dem intelligenten e-Learning für die Aus- und Weiterbildung.
Inwiefern können Industrie-Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen davon profitieren?
Grundlage für den Einsatz von Methoden des maschinellen Lernens ist ein gutes Digitalisierungskonzept und entsprechende Infrastruktur. Dieses ist in Teilen in NRW, auch unterstützt durch dedizierte Projekte wie etwa das Spitzencluster zu intelligenten technischen Systemen in der Region OWL mit den Universitätsstandorten Bielefeld und Paderborn, bereits gut gelungen. Meiner Ansicht nach profitiert die Wirtschaft in NRW nicht nur von globalen Entwicklungen im maschinellen Lernen, die oft durch große Internetunternehmen bereit gestellt werden, sondern entwickelt eigene, für die starke mittelständische Industrie in NRW besonders geeignete spezifische Konzepte, die auch Anforderungen an Datenhoheit oder Kompatibilität mit den Bedürfnissen der Bürger berücksichtigen: ein Beispiel sind effiziente Verfahren für spezifische Anwendungen in Firmen, die mit wenigen Daten und geringem Rechenaufwand auskommen; oder aber Methoden, die Prinzipien menschlicher Kognition berücksichtigen und so plausible Ansätze für eine Mensch-Maschine Kooperation bereit stellen.
Barbara Hammer studierte Mathematik und Informatik an der Universität Osnabrück, promovierte 1999 zum Thema „Learning with Recurrent Neural Networks“ und habilitierte 2004 zum Thema „Mathematical Aspects of Neural Networks“, bevor sie 2004 einen Ruf auf eine Professur für Theoretische Informatik an der Technischen Universität Clausthal annahm. Ab 2010 leitet sie den Lehrstuhl für Maschinelles Lernen an der Universität Bielefeld. Sie war Gastforscherin an der Rutgers University, dem CAIR in Bangalore, der Universität Pisa, University of Birmingham und der Université Paris 1 Panthéon-Sorbonne. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Neuronaler Netze, Lernen interpretierbarer Modelle, neuro-symbolische Integration, lebenslanges Lernen und Anwendungen. Sie leitete unter anderem die Technischen Committees zu Data Mining und Neuronale Netze von IEEE CIS.