Prof. Dr. Klaus Schafmeister

Wissenschaftlicher Leiter des KI.NRW-Flagship-Projekts »KI und Digital Offensive HANDwerk.NRW (KIDiHA)«

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»Gerade die Generative KI bietet ein erhebliches Potenzial für den gesamten Bereich des Handwerks. Hier gilt es sicherlich, Schwellen zu überschreiten, um das Nützliche vom Machbaren zu unterscheiden

Vergangenen Sommer startete die »KI und Digital Offensive HANDwerk.NRW«, ein Konsortialprojekt der Fachhochschule des Mittelstands, des Fraunhofer-Instituts IOSB-INA und der Kreishandwerkerschaft Paderborn-Lippe. Als KI.NRW-Flagship-Projekt zielt »KIDiHA« darauf ab, mit der Integration von KI die Wettbewerbsfähigkeit und das Innovationspotenzial von nordrhein-westfälischen Handwerksbetrieben zu stärken. Prof. Dr. Klaus Schafmeister ist der wissenschaftliche Leiter dieses Projekts und hat mit uns über das Vorhaben gesprochen.

Foto Prof. Dr. Klaus Schafmeister, Fachhochschule des Mittelstands
Prof. Dr. Klaus Schafmeister, Foto: © Fachhochschule des Mittelstands

Sie machen seit Jahren Mittelstands- und Regionalökonomie und haben dabei die Unternehmen in der Region im Blick, insbesondere das Handwerk. Wie kam es dazu, dass KI jetzt auch in diesem Kontext zum Thema geworden ist?
Die aktuellen Herausforderungen weisen eindeutig auf einen vielfachen Anpassungsdruck hin. Dies gilt nicht nur in Bezug auf die Lösung von globalen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Krisen, sondern auch auf die optimale Gestaltung der unternehmerischen Prozesse, um den Erfordernissen zu genügen. Stichworte wie Klima- oder Energiewende, Fachkräftebedarf oder Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit spielen ebenso eine Rolle wie Gleichwertigkeit der Lebens- und Arbeitsbedingungen, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz.

Dabei werden vielfältige Interdependenzen immer wichtiger, die es wesentlich stärker zu berücksichtigen gilt – zum einen diejenigen zwischen Unternehmen und Organisationen und zum anderen diejenigen zwischen den Akteuren innerhalb der Wertschöpfungskette und deren Stakeholder. Wesentliche Instrumente zur Gestaltung dieser Prozesse im Sinne einer zukunftsgerechten und resilienten Entwicklung sind im Bereich der Digitalisierung und der Künstlichen Intelligenz verortbar. Für die Bewältigung der eingangs genannten Herausforderungen spielen Handwerksbetriebe eine entscheidende Rolle. Vielfältige Analysen zeigen, dass hier noch erhebliche Anpassungsbedarfe bestehen, mit denen aber auch neue Chancen einhergehen.

Das Handwerk hat eine enorme wirtschaftliche Bedeutung. Allein in Ostwestfalen-Lippe (OWL) existieren mehr als 22 000 Betriebe mit rund 18 Milliarden Euro Umsatzvolumen (Stand Ende 2021). Wie kann das Handwerk von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz profitieren?
Obwohl das Handwerk sehr breit gefächert ist, gibt es einige Herausforderungen, vor denen der gesamte Sektor steht. Dazu zählen insbesondere der Fachkräftebedarf, die lösungsorientierte Mitarbeit an den ökonomischen und ökologischen Herausforderungen und die dauernde Aufrechterhaltung der qualitativen Leistungen des Handwerks. In diesem gesamten Kontext lassen sich zahlreiche Möglichkeiten durch die Digitalisierung und Künstliche Intelligenz finden und denken, die dem Handwerk spürbar und nachhaltig entgegenkommen würden. Neuartige digitale Scan- oder Messverfahren passen beispielsweise optimal Sättel an Pferderücken an, führen zu erheblichen Rohstoffeinsparungen im Lebensmittelbereich, optimieren Ressourcenströme im Kontext der Kreislaufwirtschaft oder erlauben wesentlich effizientere Wartungsprozesse von Maschinen oder Heizungs- und Wasserinstallationen. Bei vielen Gesprächen mit Handwerker*innen zeigt sich immer wieder ganz schnell und eindringlich, welche Möglichkeiten existieren, wenn über derartige Innovationen nachgedacht wird.   

Letzten Sommer haben Sie die Förderung für das Projekt »KIDiHA« erhalten, die »KI und Digital Offensive HANDwerk.NRW.« Was haben Sie hier genau vor und wer sind Ihre Mitstreiter?
Das Projektkonsortium besteht aus der anwendungsorientierten Fachhochschule des Mittelstands (FHM) in Bielefeld, dem Fraunhofer-Institut IOSB-INA in Lemgo sowie der Kreishandwerkerschaft Paderborn-Lippe. Die Partner wollen insbesondere einen nachhaltigen Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und zum Innovationspotenzial der Handwerksbetriebe in ganz NRW durch die bedarfsgerechte Integration von KI- sowie digitalen Lösungen leisten. Dabei geht es vornehmlich um die Entwicklung von praxisnahen und maßgeschneiderten KI-Lösungen und -Ansätzen für Handwerksbetriebe unterschiedlicher Gewerke und Größenordnung. Abgesehen von digitalen und KI-Lösungen, die entwickelt und demonstriert werden, sollen entsprechende (Weiter-)Bildungsprogramme in dem Bereich vorangetrieben werden.

Welche Vorhaben für Unternehmen sind geplant? Wie soll das Handwerk konkret von Ihren Projektergebnissen profitieren?
Das halte ich für sehr spannend, denn gerade Handwerksbetriebe binden wir intensiv mit ein, denn unser Ziel ist es ja, dass die Digitalisierung und/oder Künstliche Intelligenz als ein nützliches, machbares, bezahlbares, effizientes und Möglichkeiten eröffnendes, ergänzendes Werkzeug für das Handwerk aufgefasst und genutzt wird. Insofern integrieren wir Betriebe auch auf unterschiedlichen Ebenen. Besonders interessant ist es, einzelne Unternehmen beispielhaft über die gesamte Laufzeit zu begleiten, von der ersten Bedarfsermittlung über die Analyse der Lösungsoptionen bis hin zur Implementation inklusive einer Evaluation. Zudem stehen wir mit dem gesamten Konsortium als Partner für alle Fragen des Handwerks rund um das Themengebiet zur Verfügung. Mit spezifisch entwickelten Veranstaltungen, Workshops, Weiterbildungsangeboten u. a. greifen wir über alle Elemente der Transferkette bestimmte Themen des Handwerks auf, um eine nachhaltige Implementation zu erreichen.

Zwei weitere interessante Elemente bilden zum einen unsere mobilen Labore in Form von Showrooms, mit denen wir direkt bei Unternehmen, Messen oder in Städten und Fort- und Weiterbildungsorganisationen zu gemeinsamen Gesprächen über die Chancen und Risiken aufrufen möchten.  Zum anderen werden wir insbesondere mit den Nachwuchsfachkräften aus den Handwerksbetrieben die neuen Möglichkeiten zur Gestaltung ihrer eigenen Zukunft aufgreifen.  

Was sind die Herausforderungen bei Ihrem Vorhaben?
Vielfältige Analysen zum Status quo der Digitalisierung im Handwerk sprechen eine deutliche Sprache. Der Sektor ist hinsichtlich der Digitalisierung weniger gut aufgestellt als es in der Industrie oder dem Dienstleistungsbereich der Fall ist. Aufgrund dessen gibt es immer noch eine Art »Nachholbedarf«. Außerdem sprechen einige Rahmenbedingungen des Handwerks gegen eine schnelle Transformation: Fachkräftemangel, traditionelle Verhaltensmuster, hoher Auftragsbestand oder erhebliche bürokratische Hemmnisse sind einige Beispiele. Bei einem Blick auf konkrete Bedürfnisse zeigt sich zudem die Breite und damit auch die Heterogenität des Sektors Handwerk mit den unterschiedlichsten Gewerken.

Gerade die Generative KI bietet ein erhebliches Potenzial für den gesamten Bereich des Handwerks. Hier gilt es sicherlich Schwellen zu überschreiten, um das Nützliche vom Machbaren zu unterscheiden. Eine erhebliche Herausforderung zeigt sich immer wieder in der Verbindung bestimmter Daten, um z. B. die Leistungen aus unterschiedlichen Gewerken für die Herstellung bestimmter Produkte aufeinander abzustimmen. Diese sogenannte Schnittstellenproblematik tritt auch in den notwendigen Beziehungen zu öffentlichen Verwaltungen als Genehmigungsbehörden oder den planerischen Organisationen auf.

Ist »KI und Digital Offensive HANDwerk.NRW (KIDiHA)« ein rein regionales Projekt?
Der Blick richtet sich auf ganz Nordrhein-Westfalen. Der Kern des Projektkonsortiums liegt sicherlich in Ostwestfalen-Lippe. Die Projektpartner sind allerdings mit ihren Organisationen und Partnerstrukturen in ganz NRW eng vernetzt. Das gilt sowohl für die Familie des Handwerks als auch der Fraunhofer-Gesellschaft, zudem verfügt die FHM über mehrere Standorte in NRW, neben Bielefeld auch in Köln, Frechen oder Düren. Durch KI.NRW ist eine enge Verbindung zu anderen Organisationen und Initiativen in NRW gewährleistet.

Darüber hinaus weist die im Projekt entwickelte Transferkette mit den verschiedensten Formaten keinen regionalen Schwerpunkt auf, sondern wird sich auf das Engagement und die Bedarfe aus ganz NRW beziehen. Insofern spiegelt das Projekt den für das Handwerk bedeutungsvollen Transfergedanken wider. So sollen nicht nur Handwerksbetriebe vor Ort, sondern auch Akteure anderer Regionen, aber auch Vertreter*innen von Politik, Wirtschaft und Bildungseinrichtungen die Ergebnisse für sich nutzen und weiter ausbauen können.

Zum Schluss einmal etwas weitergedacht: Wie sieht aus Ihrer Sicht das Handwerk in zehn Jahren aus?
Dann wird das Handwerk vielerorts nicht mehr wiederzuerkennen sein – man wird viele Handwerker*innen sehen, die neben dem traditionellen Handwerkszeug fast überall mit ganz modernem technischen Equipment arbeiten, das die wertvolle Hand-Arbeit ergänzt, das die Prozesse effizienter macht, das die Kund*innen wertschätzen lernen und wovon die Gesellschaft und Umwelt profitiert.   

Prof. Dr. Klaus Schafmeister forscht und lehrt seit 2019 als Professor im Fachbereich Wirtschaft »Innovation und Raumentwicklung« an der Fachhochschule des Mittelstands (FHM) Bielefeld. Zusätzlich arbeitet er als Forschungsdirektor am Themengebiet Stadt-Land-Beziehung und Mobilität. Im Rahmen dieser Aufgabenstellung hat er bereits an mehreren Forschungs- und Transformationsprojekten mitgearbeitet und sie initiiert. Die FHM ist Konsortialführer des Projekts »KI und Digital Offensive HANDwerk.NRW (KIDiHA)«.